INTERVIEW MIT PROF. MICHAEL SCHRÖDER
Die eHighway-Technologie, im Volksmund Oberleitung genannt, gilt als eine kurzfristig umsetzbare und erfolgversprechende Lösung des nachhaltigen Güterverkehrs auf der Straße. Lkw-Zugmaschinen werden dabei mit Stromabnehmern – ähnlich einer klassischen Tram – ausgestattet, die beim Verlassen der elektrifizierten Strecke und dem dann notwendigen Umschalten auf konventionellen Dieselbetrieb eingeklappt werden.
Nach ersten Teststrecken in Kalifornien (Siemens) und Schweden (u. a. Scania) gibt es nun neben anderen bundesdeutschen Teststrecken einen ersten Feldversuch in Baden-Württemberg namens eWayBW. Im Murgtal, ostwärts Rastatt, soll der Realbetrieb getestet werden – unter Schirmherrschaft des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg und mit Förderung des Bundesumweltministeriums.
Nachgefragt: Prof. Schröder, das Hause HUETTEMANN ist mit dem Standort Kuppenheim als einer von zwei Logistikdienstleistern bei der Teststrecke im Murgtal dabei. Damit ist doch der Startschuss gelegt in Richtung zukunftsfähiger, weil nachhaltiger Logistik, oder?
MS: Grundsätzlich ist es zunächst immer richtig, als Unternehmen die Nähe zu politischen Entscheidern und deren Ansätzen zu suchen; man wird nicht dümmer, wenn man unmittelbare Auswirkungen – hier von Verkehrskonzepten – als beteiligter Akteur miterlebt. Zudem kann man im bescheidenden Rahmen fachlichen Input geben.
Aber?
MS: Na ja, ich bin aus zwei Gründen skeptisch, was die Erfolgsaussichten des Oberleitungs-Lkw betrifft. Erstens befindet sich die Forschung nach alternativen Antriebstechnologien mitten in der Hochphase, und ein belastbarer Trend lässt sich noch nicht feststellen. Welcher Antrieb wird denn flächendeckend kommen? Elektro, Wasserstoff oder doch Flüssiggas? In der vielbeachteten Shell-Studie zum Thema wird beispielsweise offensichtlich dem Erdgasantrieb mit verflüssigtem Gas (Liquefied Natural Gas, LNG) die höchsten Zukunftschancen bescheinigt. Selbstverständlich bedarf es für alle potenziellen Alternativen Praxiserfahrung auf echten Teststrecken …
… eben: Das eine muss das andere doch nicht ausschließen, oder?
MS: Natürlich nicht, aber ich war auch noch nicht bei meinem zweiten Grund, dem Faktor Mensch. Ich bin einmal gespannt, wie die Anwohner reagieren werden, wenn sie begreifen, dass entlang der Fahrbahn in den schönen Schwarzwald hinein auf in Summe zwölf Kilometern Elektromasten mit Transformatoren und Stromkabeln installiert werden. Wollen Sie denn Strommasten direkt an Ihrer Grundstücksgrenze?
Wir reden doch von einer Bundesstraße, oder? Wo ist das Problem?
MS: Schauen Sie sich doch den Widerstand gegen die geplanten Stromtrassen von Nord nach Süd an: Wo immer möglich – auch im Niemandsland – verlegt man Kabel unterirdisch, was ich ja durchaus nachvollziehen kann, denn ich kenne ja meine Mitbürger. Oberleitungen sind eben nicht ästhetisch. Sollte wider Erwarten im Murgtal keine Bürgerinitiative gegen die Oberleitungen entstehen, wäre ich schwer überrascht.
Dann lassen wir uns mal überraschen. Was aber sagen Sie denn als Logistiker zum eWayBW?
MS: Wenn schon eine Teststrecke auf einer Bundesstraße, dann diese. Dafür spricht das regelmäßige Transportaufkommen, die überschaubare Distanz und der 24-Stunden-Dienst. Für Herrn Manuguerras Team in Kuppenheim wird sich aber letztlich nichts ändern, die Relation Gernsbach–Kuppenheim mit der hochfrequenten Werksentsorgung inklusive aller Prozesse bleibt wie sie ist, sofern …
Ja?
MS: … sofern die Umbauten an den Lkw keine Änderungen auf die erlaubte Zuladung haben werden. Sollte die Zugmaschine signifikant schwerer werden, würde unter Umständen das aktuelle Transportaufkommen je Fahrt nicht zu halten sein. Das sind aber keine strategischen Probleme, sondern gehören in den operativen Alltag der Fahrzeugdisposition.
Über die Kosten haben wir noch gar nicht gesprochen.
MS: Das wäre auch Stochern im Nebel. Zwar gibt es erste Studien, die von eingesparten Dieselkosten in Höhe von 20 EUR je 100 km zurückgelegter Strecke ausgehen, allerdings ist das eine Rechnung ohne Berücksichtigung der Fixkosten, sprich ohne den Oberleitungsbau und die Umbauten am Fahrzeug.
Und wer zahlt diese?
MS: Tja, da der Ausbau der Infrastruktur zu den staatlichen Aufgaben zählt, ist das dann eben der Steuerzahler, der übrigens auf solchen Teststrecken auch für die Lkw-Umbauten aufkommen wird. Begründet wird dies mit der gesellschaftlich gewünschten Verringerung von Abgasen und Lärm – nicht ganz günstig bei geschätzten 2,5 Mio. EUR je Kilometer Elektrifizierung.
Prof. Schröder, besten Dank für das Gespräch.